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Im deutschen Erbrecht sind die Regeln, nach denen der sog. digitale Nachlass auf den oder die Erben übertragen wird, nach einer zweiten – völlig entgegengesetzten – Entscheidung eines Berliner Gerichts im gleichen Fall unklarer als zuvor.
Wie ist nun der aktuelle Stand?
I. Die derzeitige Situation
Einigkeit herrscht darüber, dass der digitale Nachlass die Daten umfasst, die alleine dem Erblasser zuzurechnen sind.
Ob und inwieweit sich dies auch bei Daten, die ein Verstorbener in den sozialen Medien von Facebook, Twitter & Co. hinterlässt, so verhält, ist umstritten.
Das Landgericht Berlin hatte in einer Entscheidung aus Dezember 2015 den digitalen Nachlass ebenso wie den herkömmlichen Nachlass behandelt.
Dabei hatte es im Ergebnis nicht danach differenziert, ob die fraglichen Daten alleine dem Erblasser zuzuordnen sind oder ob ggf. auch fremde Daten betroffen sein können.
Eindeutige Regelungen enthält das eigentlich einschlägige Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das das Erbrecht regelt, hierzu (noch) nicht.
Daher müssen derzeit die Gerichte mit Hilfe von Einzelfallentscheidungen Fragen zur Behandlung des digitalen Nachlasses beantworten, die der Gesetzgeber noch nicht ausreichend geregelt hat.
Mehr dazu im folgenden Video:
II. Der Fall
1. Die erstinstanzliche Entscheidung
In erster Instanz hatte das Landgericht Berlin entschieden, die Mutter eines minderjährigen – bereits verstorbenen – Mädchens, die zugleich dessen Erbin geworden war, habe Anspruch auf einen Zugang zu den Daten des Facebook-Kontos ihres Kindes.
Ausschlaggebend dafür sei u.a., dass das unentgeltliche Vertragsverhältnis zwischen einem Erblasser und Facebook (oder einem anderen Netzwerk) zum erbrechtlichen „Vermögen“ i.S.d. § 1922 BGB gehöre und daher im Wege der sog. Gesamtrechtsnachfolge auf den oder die Erben übergehen könne.
Der Zugang zu dem Online-Konto war der Mutter trotz Vorliegens der Zugangsdaten nicht möglich, weil auf einen Hinweis eines Dritten hin nach dem Tod des Mädchens der Account gesperrt und in einen sog. Gedenkzustand versetzt worden war. Dadurch trat eine Zugangssperre ein, die die Mutter überwinden wollte, um aus den Chat-Inhalten herauszufinden, ob ihre Tochter ggf. einen Suizid begangen hatte.
2. Das zweitinstanzliche Urteil
Das Kammergericht Berlin hat nunmehr auf die Berufung von Facebook hin am 31.05.2017 völlig anders entschieden und dem beklagten Unternehmen Recht gegeben.
Zumindest in Fällen, in denen ein Datenaustausch im Rahmen einer sozialen Plattform wie Facebook stattfindet, soll es entscheidend auf einen möglichen Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis ankommen. Der Schutz der Daten der Kommunikations-Partner des Kindes sei schutzwürdiger als vermeintliche erbrechtliche Ansprüche der Mutter oder deren nicht mehr fortbestehendes Sorgerecht für die Tochter.
Auch auf die möglichen Motive der Erbin – hier: herauszufinden, ob ggf. ein Suizid der Tochter vorliege – komme es insoweit nicht an, da dies an der Schutzbedürftigkeit der Kommunikationspartner der Verstorbenen unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten nichts ändere.
Die von der Vorinstanz aus dem BGB zitierten Vorschriften (§ 2047 Abs. 2 und § 2373 Satz 2), die die eigenständige Vererblichkeit höchstpersönlicher Rechtspositionen dokumentieren sollten, knüpften lediglich an einen bereits stattgefundenen Erbgang an und ließen daher keine weitergehenden Rückschlüsse über die zutreffende Behandlung des digitalen Nachlasses zu.
Ob und inwieweit Daten, die den Erblasser nur mitbetreffen, vererblich sind, gehe aus diesen Vorschriften nicht hervor.
Der in § 88 TKG zum Ausdruck kommende weitreichende Schutz des Fernmeldegeheimnisses wird vom Gericht als hohes Schutzgut eingeordnet.
Hier falle entscheidend ins Gewicht, dass es hinsichtlich des von der Klägerin reklamierten Erbrechts an Daten schlicht an einer einschlägigen spezialgesetzlichen Vorschrift zu deren Gunsten sowie zusätzlich an einer erforderlichen Einwilligung der zusätzlich von einer Datenweitergabe Betroffenen fehle.
III. Fazit und Ausblick
Sollte der Gesetzgeber den bestehenden Handlungsbedarf erkennen, könnte dieser aufbauend auf der grundgesetzlichen Garantie des Erbrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG im Rahmen einer neuen Erbrechtsvorschrift die erforderlichen Regelungen treffen.
Solange dies nicht geschehe, sei nach Auffassung des Gerichts davon auszugehen, dass die ersichtlich auf dem Fernmelde- bzw. Telekommunikationsgeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG aufbauende Vorschrift des § 88 TKG allgemeinen erbrechtlichen Regelungen in Fällen wie dem vorliegenden vorgehe.
In diesem Zusammenhang stellte das Gericht ersichtlich auch weniger darauf ab, dass sich ausgerechnet Facebook, dessen Umgang mit fremden Daten immer wieder in der Kritik steht, einmal auf das Fernmeldegeheimnis beruft.
Schwerer wiege, dass Erwägungen, die auf einem zu Lebzeiten des Kindes bestehenden Sorgerechts oder Rechte Lebender auf Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes basierten, eben nicht über den Tod hinaus bestünden.
Da das Kammergericht Berlin die eigene Auffassung nicht für die letzten Endes maßgebende ansieht, hat es die Berufung zum Bundesgerichtshof ausdrücklich zugelassen.
Rechtsanwalt + Fachanwalt für Steuerrecht Dr. Joerg Andres, Düsseldorf, kommentiert die aktuelle Rechtslage:
„Angesichts der völlig unterschiedlichen Entscheidungen darf man gespannt sein, wie sich die Behandlung des digitalen Nachlasses weiter entwickeln wird, solange der Gesetzgeber nicht eingreift.
Der Regelungs- und Beratungsbedarf zu diesem Thema wächst jedenfalls mit jeder neu im Internet entstehenden Plattform, die von Usern genutzt werden kann, weiter.“
Wenn Sie Fragen zum digitalen Nachlass haben oder Unklarheiten beseitigen wollen, wenden Sie sich gerne an uns. Für eine erste kostenlose Auskunft erreichen Sie uns telefonisch unter 0211 / 388 377-0.