In einem erst am Jahresende 2021 veröffentlichten Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 11.06.2021 (Az.: 5 K 1996/19) ging es erstmals in einem Hauptsacheverfahren um die ertragsteuerliche Behandlung von Gewinnen aus dem Handel mit sog. Kryptowährungen.
Zahlreiche gewichtige Tatsachenaspekte blieben bei der Entscheidung allerdings unberücksichtigt, was Anlass zu dezidierter Kritik bietet.
Das FG Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart hat sich – entgegen des Beschlusses des FG Nürnberg vom 08.04.2020, Az.: 3 V 1239/19 (DStR 2020, 1243 mit Anmerkung Andres) – weder im Detail mit der Frage der angeblichen Wirtschaftsgutseigenschaft der sog. Kryptowährungen, noch mit einzelnen Kryptowährungen überhaupt befasst.
Argumentiert wurde dabei, auf „technische Details“ der sog. Kryptwährungen komme es nicht an.
In der zitierten Entscheidung führt das Stuttgarter Gericht daher noch nicht einmal die einzelnen Kryptowährungen namentlich auf, über die es meint dennoch entscheiden zu können.
Auch wenn es zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung nur rund 10.000 bekannte sog. Kryptowährungen gab, sind es mittlerweile immerhin bereits mehr als 17.000.
Etwas mehr an Begründung verwendet das Gericht auf die ebenso angreifbare Feststellung ein strukturelles Vollzugsdefizit existiere nicht.
Allerdings stützt es sich hierbei auf angeblich erfolgversprechende Vorgehensweisen wie sog. Auskunftsersuchen, die bei den im konkreten Fall in Rede stehenden Onlinebörsen mangels damals überwiegend noch gar nicht existierender KYC-Verfahren im optimalen Fall zu einer Erfolgsquote von weniger als 10 % hätten führen können.
Zudem wird eine detaillierte Prüfungspflicht der Finanzverwaltung bei eingereichten Steuererklärungen bzgl. sog. Kryptowährungen pauschal – und ohne greifbare Begründung – verneint.
Die in ihrer Funktionsweise und rechtlichen Einordnung bis heute über weite Strecken den Finanzgerichten noch immer weithin unbekannten sog. Kryptowährungen lassen sich jedenfalls ohne Berücksichtigung der jeweiligen „technischen Details“ der jeweils betreffenden sog. Kryptowährung kaum zutreffend unter rein analoge einkommensteuerliche Vorschriften subsumieren.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Prof. Dr. Joerg Andres, Partner der DR. ANDRES Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf, kommentiert die aktuelle Entscheidung des FG Baden-Württemberg zur Besteuerung sog. Kryptowährungen:
„Eine bewusste Nichtberücksichtigung weiter Teile eines inhaltlich anspruchsvollen Sachverhalts führt im Ergebnis zur Prüfung eines Alternativsachverhalts, der so nicht vorliegt.
Dies ist weder von den Vorgaben der Abgabenordnung, noch von denen der Finanzgerichtsordnung gedeckt.
Ein solches Vorgehen führt nahezu zwangsläufig zu beliebigen – und damit im Ergebnis rechtsstaatlich höchst zweifelhaften – Entscheidungen.“
Näheres finden Sie dazu auch in der aktuellen gemeinsamen Fachveröffentlichung von Joerg Andres und Joshua Stoffels in der Zeitschrift Deutsches Steuerrecht (DStR 2022, Heft, 4 vom 29.01.2022, S. 137 ff. m.w.N.). Beide sind zugleich Autoren des grundlegenden Standardwerkes STEUERTSUNAMI BITCOIN 2.0 (2. Auflage 2020).
Sollten Sie von der Finanzverwaltung u.a. mit der zitierten Entscheidung des FG Baden-Württemberg konfrontiert und diese zu Ihrem Nachteil ausgelegt werden, helfen wir Ihnen gerne weiter.
Die DR. ANDRES Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erreichen Sie telefonisch unter 0211/388377-0 oder per Mail unter info@andresrecht.de.